Misophonie – mögliche Ursachen, Symptome und Folgen

Der Begriff Misophonie beschreibt eine Wahrnehmungsstörung, die mit starken negativen Reaktionen auf bestimmte Schalleinwirkungen verbunden ist. Er leitet sich von den griechischen Termini „misos“ und „phone“ ab, die übersetzt „Hass“ und „Ton“ bedeuten. Der Name der Störung bezieht sich auf bestimmte Geräusche, die den Patienten „verhasst“ sind. Diese Art der Geräuschintoleranz betrifft Schätzungen zufolge rund ein Prozent der Bevölkerung. Menschen mit zwanghaften Persönlichkeitsstörungen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, eine Misophonie zu entwickeln. Die Misophonie wurde erst in den späten Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts durch Pawel Jastreboff und seine Frau Magaret, zwei US-amerikanische Neuropsychiater, als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben. Dementsprechend fehlt bis heute in der Gesellschaft und Ärzteschaft noch vielerorts die Akzeptanz für und das Wissen über die Erkrankung.

Alltägliche Geräusche als unerträgliche Sinnesreize

Menschen, die unter einer Misophonie leiden, empfinden verschiedene Geräusche als äußerst unangenehm bis unerträglich – allerdings nicht aufgrund ihrer Intensität oder Lautstärke, sondern wegen ihrer spezifischen Ausprägung und Bedeutung. Dabei reagiert jeder Betroffene auf andere Schallereignisse. Es handelt sich also um eine Geräuschintoleranz selektiver Ausprägung. Die Trigger können von Menschen wie von technischen Geräten, Fahrzeugen und anderen Dingen produzierte Geräusche sein. In den meisten Fällen rufen Essgeräusche wie Schlucken, Schlürfen, Trinken, Kauen, Knabbern oder Schmatzen die für eine Misophonie typischen Reaktionen hervor. Auch lautes Atmen, Schnarchen, Kratzen, Räuspern oder Niesen werden oft als akustische Auslöser definiert. Straßen- und Flugzeuglärm, Sirenen, das Surren von Lüftungsanlagen, durch das Gehen auf hölzernen Bodenbelägen und Treppen verursachtes Knarren, das Klicken mit dem Kugelschreiber und ähnliche Geräusche sind ebenfalls mögliche Trigger einer Misophonie.

Symptome und Beschwerden einer Misophonie

Die meisten gesunden Menschen nehmen bestimmte Geräusche als störend oder sogar unangenehm wahr. Eine Misophonie macht solche alltäglichen akustischen Reize für die Betroffenen jedoch unerträglich. Menschen, die unter dieser Störung leiden, entwickeln bei Einwirkung der jeweiligen Trigger psychische Reaktionen, die mitunter sehr heftig ausfallen. Die meisten Patienten reagieren auf die spezifischen Auslöser mit einer hohen Anspannung, Gereiztheit oder Frustration, die oft in einer unkontrollierbaren Aggressivität resultiert. Es ist auch möglich, dass ein spezifisches Geräusch starke Ekelgefühle hervorruft. Für die Misophonie typisch ist die Tatsache, dass das verhasste Geräusch keine Angstgefühle auslöst. Auch Panikattacken treten nur äußerst selten auf.

In vielen Fällen werden die psychischen Symptome einer Misophonie von körperlichen Beschwerden begleitet. Betroffene können in den Situationen, in denen sie der Geräuscheinwirkung ausgesetzt sind, ungewöhnlich stark schwitzen oder in verschiedenen Körperregionen ein Druckgefühl wahrnehmen. Auch ein erhöhter Blutdruck, Muskelverkrampfungen und eine veränderte Reizleitfähigkeit der Haut treten als Folge einer Einwirkung der akustischen Trigger häufig auf. Die chronische Stressbelastung, die mit einer Misophonie naturgemäß einhergeht, kann langfristig körperliche Beschwerden verursachen, die das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen.

Mögliche Ursachen einer Misophonie

Warum manche Menschen auf bestimmte Geräusche mit einer starken Abneigung und Aggressivität reagieren, ist bis heute nicht gänzlich erforscht. Bekannt ist, dass Erfahrungen und damit verbundene Schallereignisse im Limbischen System aneinander gekoppelt werden. Auch Jahre später lösen bestimmte Geräusche unabhängig von Situation und Kontext die damit im Gehirn abgespeicherten Emotionen hervor – im Falle einer Misophonie in negativer Form. Wissenschaftler vermuten, dass die Ursachen der Störung in der Kindheit liegen. Häufig werden bestimmte problematische Umstände wie ein von Konflikten geprägtes familiäres Umfeld mit einer diagnostizierten Misophonie in Zusammenhang gebracht. So kann etwa eine negative Beziehung zu Mutter oder Vater eine Abneigung gegen bestimmte Geräusche hervorrufen, die der Elternteil im familiären Alltagsleben ständig erzeugt hat. Wenn beispielsweise ein gewalttätiger Vater beim Essen immer geschmatzt hat, überträgt sich dies als Misophonie auf das Erwachsenenalter – und das Schmatzen des Partners führt Jahre oder sogar Jahrzehnte später zu unwillkürlichen Aggressionsausbrüchen oder Ekelgefühlen.

Es wird angenommen, dass auch traumatische Erfahrungen in allen Lebensphasen eine wichtige Rolle in der Entstehung der Störung spielen. Insbesondere sexueller Missbrauch erhöht das Risiko, eine Misophonie zu entwickeln. Menschen, auf die dies zutrifft, reagieren häufig auf Atemgeräusche, da lautes Atmen in engem Zusammenhang mit der Missbrauchserfahrung steht.

Eine unbehandelte Misophonie kann ernsthafte Folgen haben

Da alltägliche Geräusche die Symptome verursachen, kommt es durch eine Misophonie zwangsläufig zu negativen Veränderungen im Privat- und Berufsleben. Wenn Betroffene auf bestimmte akustische Trigger mit heftigen Aggressionen reagieren, leiden Beziehungen zu Partnern ebenso wie Freundschaften und die Zusammenarbeit mit Kollegen am Arbeitsplatz. Für viele Misophonie-Patienten bedeutet dies eine zunehmende soziale Isolation. Sie versuchen verzweifelt, alle Situationen, in denen Sie mit den verhassten Geräuschen konfrontiert werden könnten, konsequent zu vermeiden. Dies kann sogar dazu führen, dass kein gemeinsames Essen oder Unternehmungen mit Partner oder Familie mehr möglich und auch Arbeitsabläufe im Beruf von Konflikten geprägt sind. Das Unwissen und geringe bis nicht vorhandene Verständnis der Mitmenschen verstärkt das Leiden der Betroffenen zusätzlich.

Durch das Vermeidungsverhalten kann es zu zwanghaften Persönlichkeitsstörungen kommen, die die ohnehin stark beeinträchtigten Beziehungen weiter erschweren. Im schlimmsten Fall entwickeln die Patienten durch eine über einen langen Zeitraum nicht gezielt behandelte Misophonie Depressionen, eine Tendenz zur Selbstverletzung oder Gewaltfantasien jenen Menschen gegenüber, die die auditiven Reize erzeugen.

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